Donnerstag, 18. Juni 2020

Mietzinssenkungen bei Geschäftsmieten

In den Augen des Schweizer Parlaments kann nur ein erzwungener Mietzinserlass die vom Lockdown betroffenen Betriebe retten. Interessanterweise lösen alle Nachbarländer das Problem anders. Die Frage, ob die Mieten für Gewerbelokale während einer Zwangsschliessung geschuldet sind oder nicht, wird in der Schweiz seit Beginn der Corona-Krise breit diskutiert. Aber nicht nur das: Nachdem das Parlament vor gut einem Monat seine Arbeit wiederaufgenommen hat, steht auch die Frage nach einem politischen Eingriff im Raum.
Diverse National- und Ständeräte sind der Ansicht, dass freiwillige Einigungen zwischen Mietern und Vermietern das Problem nicht lösen; zu viele Vermieter kommen ihrer Ansicht nach ihren Mietern nur ungenügend entgegen, was zu unnötigen Konkursen führe. Sie wollen die Vermieter deshalb dazu zwingen, ihren von Zwangsschliessungen betroffenen Mietern 60% der Miete zu erlassen; dies bis zu Monatsmieten von maximal 15 000 Fr. Ein Entscheid dazu könnte bereits in der Sommersession fallen, die kommende Woche beginnt.
Was der tendenziell liberalen Schweiz an Eingriffen in die Wirtschaftsfreiheit recht ist, müsste den Regierungen in anderen Ländern doch eigentlich nur billig sein – möchte man meinen. Interessanterweise kennt jedoch keiner der Nachbarstaaten ähnliche Vorstösse. Weder in Deutschland oder Österreich noch in Italien oder Frankreich macht die Politik Anstalten, in die privaten Vertragsbeziehungen zwischen Mieter und Vermieter einzugreifen und die Vermieter zu einem Entgegenkommen zu zwingen.
Warum ist das so? Schliesslich sind die Gewerbemieter in all diesen Ländern in einer ähnlichen Situation: Sie waren oder sind jeglicher Einnahmen beraubt und müssen trotzdem weiterhin für ihre Fixkosten aufkommen.
Haben im Ausland Mieter und Vermieter selber Lösungen gefunden – so wie es sich auch der Bundesrat für die Schweiz wünscht und wie es auch hierzulande in vielen Fällen geschieht? Wurden andere Regelungen gefunden, die das Problem entschärfen? Oder kommt der Staat für die Mieten auf?
In Deutschland gibt es zwei wichtige Massnahmen: Zum einen wurde als Teil des im März beschlossenen Corona-Hilfspakets das Recht der Vermieter, Miet- und Pachtverhältnisse wegen Zahlungsrückständen zu beenden, vorübergehend gesetzlich eingeschränkt: Sie dürfen einem Mieter nicht kündigen, wenn dieser zwischen April und Juni 2020 die Miete wegen der Pandemie nicht bezahlen kann, wobei der Zusammenhang nachzuweisen ist. Die Miete für diese drei Monate bleibt geschuldet, allerdings mit einem grosszügigen Zahlungsaufschub; sie ist bis spätestens Ende Juni 2022 zu begleichen.
Zum anderen bekommen Corona-geschädigte Selbständige und Kleinbetriebe (bis 10 Beschäftigte) einmalige Zuschüsse von bis zu 15 000 € für drei Monate, die teilweise auf Länderebene noch aufgestockt werden. Damit sollen sie Betriebskosten wie zum Beispiel Mieten bestreiten können, die weiterlaufen, während sie kaum mehr Einnahmen hatten und haben.
Für grössere Unternehmen gibt es wie in der Schweiz Liquiditätshilfen in Form von günstigen, staatlich garantierten Krediten. Entsprechend beruhen auch in Deutschland die Hoffnungen darauf, dass Mieter und Vermieter gemeinsam faire Lösungen finden. Dazu gibt es anekdotische Evidenz, aber kaum aggregierte Daten.
Der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA), der Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, erklärte Anfang Mai, die Vermieter hätten in den ersten vier Wochen des Shutdown gemessen am Vorjahreswert 70% der Gewerbemieten verloren. Wie viel davon auf das Kündigungsmoratorium, vereinbarte Mietkürzungen oder weitere Ursachen zurückgeht, ist nicht bekannt.
Vom ZIA stammt auch ein Vorschlag für ein «Mietenhilfsprogramm» für Wirtschaftsimmobilien. Laut diesem könnten Vermieter den Mietern auf Basis einer Vereinbarung bis zu 50% der monatlichen Miete erlassen. Die Hälfte der Reduktion würden sie selbst tragen, die andere Hälfte würde ihnen der Staat ersetzen. Die politische Resonanz dieser Idee ist aber bisher eher gering geblieben – im Gegensatz zur Schweiz, wo mehrere Kantone (GE, VD, FR, BS) ähnliche Regelungen kennen. Quelle www.nzz.ch

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