«Die Corona-Pandemie hat Vieles in unserem täglichen Leben verändert
und so sind auch die Folgen für die Immobilienwirtschaft und in den
unterschiedlichen Asset-Klassen teils enorm.» Moderator Prof. Markus
Schmidiger von der Hochschule Luzern brachte es zu Beginn des jüngsten
Schweizer Immobiliengesprächs, welches erstmals online über die Bühne
ging, auf den Punkt. Mit den veränderten Grundbedingungen auf Basis
staatlich verordneter Schutzbestimmungen, Hygienemassnahmen und
Lockdown-Regularien sind die Rahmenbedingungen etwa für die Hotel- und
Gastronomiebranche auf den Kopf gestellt. Doch auch die Segmente Büro,
Einzelhandel und Wohnen spürten die Auswirkungen der anhaltenden
Pandemie, so Schmidiger weiter.
Büromarkt im Wandel
Für Jan Eckert, CEO von JLL Schweiz und ersten Referenten des Events,
ergibt sich auf dem Büroimmobilienmarkt aufgrund von Corona «ein
hybrides Kontinuum». Einerseits sei die Entscheidungsfindung bei
Transaktionen und Vermietungen angesichts der schwer zu
prognostizierenden weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen deutlich
erschwert. Andererseits stelle sich der Immobilienmarkt mit Blick auf
die aktuelle Stimmung und die Prognosen der Marktteilnehmer
aussergewöhnlich robust dar: In einer von JLL zu Jahresbeginn 2021
initiierten Umfrage sagten 42 Prozent der Befragten, sie rechneten im
Verlauf dieses Jahres mit mehr Immobilien-Akquisitionen. Die Mehrheit
von 54 Prozent erwartet zumindest ein ähnliches Ankaufvolumen wie 2020.
Nur vier Prozent der Immobilienakteure prognostizieren geringere
Investmentvolumen beim Kauf von Liegenschaften. Auch die andere Seite
der Medaille gebe Anlass für vorsichtigen Optimismus, so Eckert.
Lediglich 14 Prozent gehen davon aus, dass es dieses Jahr verstärkt zu
Verkäufen kommt. 61 Prozent erwarten hier ein ähnliches Niveau wie im
Vorjahr und 24 Prozent gehen übers Jahr gesehen von weniger
Immobilienverkäufen aus.
Bei der Nachfrage nach Büroraum zeige sich hingegen ein anderes Bild.
«Hier ist noch kein Muster zu erkennen», fasste Eckert die Lage
zusammen. Der «Impact auf die Flächennachfrage» sei zweifelsohne
vorhanden, doch gebe es Zeichen, die in verschiedene Richtungen zeigten.
Hinsichtlich Unternehmens- und Personalentwicklungen würden sich
verschiedene Trends überlagern. Zum einen werde sich die
Homeoffice-Thematik unweigerlich auf die Präsenzzeiten in den
Firmenbüros auswirken, zum anderen müssten Büroflächen gemäss «state oft
the art» viel mehr bieten als nur Schreibtisch und Stuhl. Vor allem zur
Gewinnung neuer und junger Talente müsse das Unternehmensgebäude zum
Anziehungspunkt werden – mit verschiedensten Bereichen für
Individualität und Team-Sitzungen, aber auch für die persönliche
Weiterbildung und den lockeren (Wissens- und Informations-)Austausch
untereinander. «Dies in der Summe genommen bedeutet einen grösseren
Flächenbedarf», so Eckert.
Mega-Thema im Retail: Mixed-Use-Destinations
Marcel Stoffel vom Swiss Council of Shoppingplaces und Inhaber der
Retail-Beratungsagentur stoffelzurich erläuterte als zweiter Referent
die vielerorts prekäre Lage im Einzelhandel. «Gerade die in die Jahre
gekommenen und eher langweiligen Einkaufszentren müssen sich jetzt zum
attraktiven und interessanten Marktplatz wandeln», formulierte er es
etwas überspitzt. Generell werde in diesem Segment die Retailfläche
zurückgehen. Problem sei aber: «Wir können ja nicht die Shoppingcenter
halbieren.» Lösungen würden sich mittels Alternativnutzungen anbieten.
Dazu zählt Stoffel die Bereiche Sport, Fitness, Yoga und Wellness, aber
auch medizinische oder kosmetische Service-Anbieter. «Das Mega-Thema
sind hier Mixed-Use-Destinationen.»
Bei der Durchmischung der Center mit Gastronomiekonzepten sei dagegen
ein gewisser Sättigungsgrad erreicht, so Stoffel. «Der derzeitige
Anteil von circa acht bis zehn Prozent ist da wohl der Deckel.» Höhere
Nachfrage sieht er bei den Prime-Lagen in den Innenstädten, auch wenn es
dort ebenfalls früher oder später zu einigen Ladenschliessungen kommen
werde. Es stünden jedoch andere und meist auch flexiblere Konzepte
parat, die diese Lücken gern füllten. Seine Zukunftsthese für den
Retail-Handel: «Es gibt drei entscheidende Trends: Diversität,
Flexibilität und das Place Making». Hierbei komme es vor allem auf die
richtige Positionierung von Geschäftskonzepten an und auch auf die
Markenidentität. Wer ein klares Profil habe und sich eindeutig zu den
Wettbewerbern abgrenze, werde weiter Relevanz haben. Dem Kunden müsse
zudem Erlebnis und Experience geboten werden. Oder wie Stoffel es in
anderen Worten auf den Punkt brachte: «Produkte sind austauschbar,
Emotionen sind es nicht.»
Neue Anforderungen an künftige Wohnräume
Anja Meyer, CEO des Immobilienunternehmens Smeyers, berichtete im
Anschluss von ihren Erfahrungen in der Vermarktungspraxis im
Geschäftsfeld Residential. «Die Nachfrage nach Wohnraum ist ungebrochen.
Entscheidende Kriterien in der Immobilienentwicklung und -vermarktung
sind Nähe und Distanz. Das ist schon mit dem Thema Verdichtung vor
Jahren aufgekommen, hat sich aber jetzt mit der Pandemie noch einmal
akzentuiert», erklärte Meyer. Hinsichtlich dem Thema Wohneigentum sei in
den vergangenen sechs bis neun Monaten der Druck im Markt gestiegen,
wenn man Angebot und Nachfrage anschaue. «Auf Seiten des
Vermietungsmarktes zeigten das vierte Quartal im 2020 und das aktuelle
erste Quartal im 2021 eine deutlich höhere Fluktuation.» Sprich: Jetzt
suchten viel mehr Menschen neue und für die aktuellen Bedürfnisse
geeignete vier Wände als auch schon, so Meyer. Es gebe hier gestiegene
Ansprüche und neue Erwartungen an den Wohnraum.
Die Faktoren Privatsphäre, Weg und Distanz zum Arbeitsort, aber auch
die Art von öffentlichem Raum seien wichtiger geworden. Auch die
Verfügbarkeit von nutzbarem Aussenraum habe an Bedeutung gewonnen. Viele
wollten nun gern Möglichkeiten zum Coworking in der Nachbarschaft und
auch einfach das Café nebenan und einen Wochenmarkt möglichst gleich vor
der Haustür. Auch der «Grün-Faktor» spiele eine wichtige Rolle, sei es
nun kleine Gärten, Balkone oder die Möglichkeit zum Urban Gardening im
Quartier. Diese Themen und Bedürfnisse müssten umgehend auch die
Projektentwickler adressieren und bedienen. Hier müsse künftig «deutlich
mehr nutzerorientiert geplant» werden, sagte Meyer. Quelle: immobilienbusiness.ch